Christa Ludwig: Carlos in der Nacht. Freies Geistesleben, 2005.
ISBN: 3-7725-1542-2
352 Seiten, EUR 15 (ab 13 J.)
"Du einziger Freund. Ich habe niemand -
niemand - auf dieser großen, weiten Erde niemand", sagt Schillers Don Carlos
im ersten Akt des Dramas zu Marquis Posa. Christa Ludwigs Roman erzählt davon
wie diese intensive Freundschaft im Jahr 1552 zwischen dem neunjährigen Infanten
und dem fünf Jahre älteren Rodrigo entstand. Carlos, der historischen Quellen
gemäß verwachsen und bucklig, mond- und fallsüchtig war, lebt eingezwängt in
höfische Regeln und Kleider, fürchtet sich vor dem Reiten und muss es als angehender
Herrscher doch lernen. Sein unermeßliches Bedürfnis nach Zuwendung findet endlich
Nahrung als er den Pagen Rodrigo für sich gewinnt, indem er eine schwere Strafe
statt seiner auf sich nimmt. "Ich tue alles für dich", verspricht
dieser, worauf ihn Carlos für die Erfüllung seiner Wünsche einspannt, vor allem
dem nach Nähe. Auf Mariluz, das Zigeunermädchen, das Rodrigo liebt, ist er rasend
eifersüchtig, doch schließlich ist sie es, die den beiden Jungen zeigt, wie
sie im Zusammenspiel das Pferd lenken können, das Carlos bei dem großen Autodafé
anläßlich seines Geburtstages reiten soll. Die geplante Hinrichtung gerät zum
Akt der Befreiung aus der finsteren Welt der Inquisition und der Glaubenskriege.
Die Autorin verwebt Geschichte, Literatur und Phantasie zu einem historischen
Roman, der zwar in einer Welt spielt, die der unseren fremd ist, die uns aber
durch die Verbindung mit den Charakteren nahe rückt. Die Verquickung von Aussage
und literarischem Ausdruck gelingt Christa Ludwig auch in diesem Buch auf hohem
Niveau. Die Innigkeit zwischen Carlos und Rodrigo erreicht ihr höchtes Maß bei
der Arbeit mit den Pferden. Das sowohl von Carlos wie von allen religiös Verfolgten
mit Schrecken erwartete Autodafé bildet am Ende des Romans den Höhepunkt, auf
den alles zuläuft. Rodrigos Wunsch nach einer anderen, freien Welt spannt die
Brücke zu Schillers Don Carlos, in dem sich nicht nur die Federballszene wiederfindet.
"Carlos in der Nacht" läßt sich auf vielen Ebenen lesen. Nicht jeder
Dreizehnjährige wird nach der Lektüre zum Drama greifen und doch hat er ein
bereicherndes Leseerlebnis gehabt, das nebenbei bildet und sprachlich herausragt.
Christa Ludwig bietet empfehlenswerte Lesungen für Schulklassen an. Mehr auf www.leserattenfaenger.de.