Joyce Carol Oates: Mit offenen Augen.
Hanser, 2005.
ISBN: 3-446-20605-1
240 Seiten, EUR 15,90 (ab 13 J.)
Francesca nennt sie ihre Mutter, Franky möchte sie selbst heißen
und dann ist da auch noch Freaky in ihr, das starke Mädchen mit den funkelgrünen
Augen, das den Mut hat aufzubegehren und sich zur Wehr zu setzen. Die Fünfzehnjährige
ist die Tochter des beliebten Sportjournalisten Reid Pierson, in dessen Bann sie
gemeinsam mit ihrer Schwester Samantha und Halbbruder Todd lebt. Ihre Mutter Krista
entzieht sich mehr und mehr dem kühlen, von subtiler Gewalt beherrschten Zuhause
und den Mißhandlungen durch ihren Ehemann, indem sie sich als Künstlerin selbständig
macht und an einen kleinen Ort an der Küste zieht. Bei einem Besuch erleben die
beiden Mädchen wie glücklich sie dort ist - und wie wenig sie dem Vater entgegenzusetzen
vermag. Mit allen Mitteln zieht dieser Franky auf seine Seite, die nicht anders
kann als zu ihm zu halten, selbst wenn sie körperlich von ihm „diszipliniert"
wird. Sie deckt ihn auch vor der Polizei als plötzlich Krista und ihr Freund verschwunden
sind, weil sie nicht wahrhaben kann, dass ihr Vater etwas damit zu tun haben könnte.
Erst langsam gewinnt Freaky die Oberhand, durchschaut sie sein falsches Spiel,
die Abgründe in seinem Verhalten und die Bedrohung, die von ihm ausgeht. Mit dem
Tagebuch ihrer Mutter hat sie den entscheidenden Beweis gegen ihren Vater in der
Hand.
Joyce Carol Oates beherrscht auch in ihrem zweiten Jugendbuch die leisen Zwischentöne,
die unbewußt in den Menschen arbeitenden Emotionen und die unterschwelligen Ahnungen.
Die Gewalt kommt kaum an die Oberfläche, bleibt verborgen und treibt ihr zerstörerisches
Spiel im Untergrund, was eine starke Spannung entstehen läßt. Franky muss sich
diesem Strom entgegenstellen und sich aus der Welt befreien, die sie ein Leben
lang gefangen nahm und die sie doch liebte.