© www.litterula.de

Philipp Pullman:
Das Banner des roten Adlers.

Beltz und Gelberg, 2003.
ISBN: 3-407-80906-9
424 Seiten, EUR 14,90 (ab 12 J.)

Was geschieht, wenn ein Prinz aus Raskawien, einem Miniländchen zwischen Deutschland und Österreich, zur Bismarckzeit eine englische Göre heiratet, die im horizontalen Gewerbe ihr Geld hat verdienen müssen? Na klar, es gibt Ärger. Doch das Mädel entpuppt sich als eine wirklich gute Wahl, das merkt sogar der Prinzenvater, der getrost in Frieden sterben kann, die Nachfolge ist gesichert. Bei der Krönung des Paares wird der neue König erschossen, doch Adelaide, die Königin, ergreift das Banner, seit Jahrhunderten Symbol der Macht im Land, und schleppt es auf den Berg. Eigenhändig. Mit einem Schlag wird sie zum Idol der Menschen und in relativ kurzer Zeit schafft es das bodenständige Mädchen, nicht zuletzt dank der Hilfe ihrer ehemaligen Deutschlehrerin Becky und des Detektiven Jim Taylor, die Herzen der Menschen ihres neuen Landes zu gewinnen und sich als aktive und zur Arbeit am Volk bereite Herrscherin zu etablieren. Ja, das wäre alles herrlich und wir hätten eine Diana ein Jahrhundert vorher, aber nein, da muss es ja auch ein paar Böse geben und kaum gekrönt, tauchen sie auch schon auf, die fiesen Nickelraffgeier, die Bankiers, die in dem kleinen Land eine gute Beute sehen und von den Toten wird ein Prinz, verrückt und eingesperrt, wieder auferstehen und dessen Ehefrau, die spanische Schauspielerin, die die königliche Sippe aus Hass der Reihe nach killt. Noch mehr Verwirrungen? Gibt es, keine Bange.
Pullmanns Story liest sich spannend, man futtert den Stoff so herunter, aber soll man am Ende sagen, um was es ging, muss man echt nachdenken. Um eine Königin, die, kaum an der Macht, von ihren politischen Feinden entthront wird, dabei einen Schuss in die Brust erhält und nach relativ kurzer Regentschaft schon wieder abtritt, während sie im Abgang noch schnell die Liebe ihres Lebens krallt. Schreiben kann er spannend, Philip Pullmann, aber was er hier serviert, ist nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss. Es wird nicht so recht klar, für welche Leser das Buch gedacht ist, die Kleinen kapieren es nicht und die Großen, die die Sprache verstehen, die Fremdworte kleinbekommen und auffassen, dass Könige im Visier mächtiger Interessen stehen, sind ein wenig angenervt, denn Raskawien gibt es eben nicht. So mischen sich reale Szenen und Erfindung und das ergibt einen Brei, der nicht so recht munden will.
Wer gern mal an einem superöden Mittag was Spannendes lesen will, kann es offiziell als „Historischer Roman" den vertrauensseligen Müttern verkaufen, es handelt sich immerhin relativ oft um Bismarck in dem Buch. Für alle anderen – muss nicht wirklich sein. Wenn sonst nichts im Haus ist, schadet es sicher nicht, gibt es Alternativen, her damit.


© Christine Krokauer
www.litterula.de