Klaus Kordon: Julians Bruder.
Beltz und Gelberg, 2004.
ISBN: 3-407-80927-1
628 Seiten, EUR 18,90 (ab 14 J.)
Wieviel Leid passt in ein einziges kurzes Menschenleben? Für
Julian, das lebensfrohe Kind, das so gerne liest, endet das Glück als er in der
vierten Klasse einen neuen Lehrer bekommt. Fortan ist er Jude, gebrandmarkt und
gedemütigt. Nur sein Freund Paul und dessen Schwester Bille halten zu ihm, bis
dahin, dass sie ihn als „U-Boot" verstecken als Julians Eltern abgeholt werden.
Die Bedrohung durch die Nationalsozialisten, durch die Bombenangriffe, die Berlin
fast vollständig zerstören, aber auch durch Hunger und Kälte ist allgegenwärtig,
sowohl für Paul, der schließlich als Flakhelfer dienen muss wie für den untergetauchten
Julian. Doch kaum wollen sie nach dem Ende des Krieges aufatmen, fallen sie den
russischen Besatzern in die Hände als sie die vergewaltigte Bille verteidigen
wollen. Als vermeintliche „Werwölfe" werden sie in das Lager Buchenwald gebracht,
das inzwischen der Entnazifizierung dient, in dem jedoch keineswegs nur wirklich
Schuldige festgehalten werden. Hunger und Krankheit treiben viele Tausende der
Gefangenen in den Tod, darunter auch den achtzehnjährigen Julian, der jegliche
Hoffnung auf das Gute im Menschen aufgegeben hat.
Paul, der hier von seiner tiefen Freundschaft mit Julian erzählt, wird sein Leben
lang die schrecklichen Bilder nicht los. Mit wachen Augen und Ohren beobachtet
er, wie sich das Netz um sie zuzieht, macht sich Gedanken über seine Mitmenschen
und findet nicht nur einmal den rettenden Ausweg. Das Perfide und Absurde der
Situation der Jungen ist auch für den Leser nur schwer zu ertragen. Welche Kraft
ist es, die einen Menschen durch eine derartig grausame Bedrängnis zu tragen vermag?
Wieder einmal ist es Klaus Kordon gelungen ein finsteres Kapitel der jüngeren
Geschichte aufzudecken. Die politischen Hintergründe werden anhand der Schicksale
deutlich, das Mitempfinden geht sehr nahe. Nicht nur für Jugendliche wird diese
Biografie damit zu einer wichtigen Quelle zum Verständnis unserer Zeit.