Es gibt Bücher, die schleichen sich heimlich ins Herz hinein
und werden Freunde. Lois Lowrys „stiller freund" ist so ein Buch. Ein Mädchen
erzählt anhand von vergilbten uralten Fotos die Geschichte ihrer Jugend als Tochter
eines Dorfarztes. Es ist die Zeit vor dem Automobil, als Getreide noch in großen
Dorfmühlen gemahlen wurde und man Säuglinge im Garten erntete. In diesen Jahren
wächst Kathy umhütet im Kreis ihrer Familie auf, gern von ihrem Vater zu Patientenbesuchen
mitgenommen, die das kleine Mädchen prägen und es später ebenfalls Medizin studieren
lassen.
Im Dorf lebt Jacob. Jacob spricht nicht, Jacob geht nicht zur Schule, Jacob ist
nämlich „gestört". Mit Menschen hat es Jacob nicht so sehr, wohl aber mit Tieren,
für die er ein wahres Händchen hat. Kathy akzeptiert er, denn sie nimmt ihn, wie
er ist. Miteinander singen sie für die Pferde und die Welt bleibt stehen in Frieden.
Natürlich ist das keine heile Welt, in der die Kinder aufwachsen, es geschehen
Unglücke, es passieren Missgeschicke und Träume mancher Menschen werden auf brutale
Weise zerstört. Als eines Tages auf Jacob ein schrecklicher Verdacht lastet, nimmt
das Verhängnis seinen Lauf, muss sich die Freundschaft zwischen Kathy und Jacob
beweisen.
Ein eindringliches Buch über das Anderssein, geschrieben aus der Sicht der kleinen
Kathy, aber durchaus so zusammengestellt, dass man auch die Sicht der Erwachsenen,
ihre Gedanken und Gefühle, nachvollziehen kann.
Von zufälligen Fotos hat sich Lowry zu dieser stillen Geschichte inspirieren lassen.
Nicht umsonst ist die Autorin preisgekrönt.