Brian Doyle: Mary Ann Alice.
Sauerländer, 2004.
ISBN: 3-7941-8019-4
176 Seiten, EUR 13,90 (ab 12 J.)
1926 ist an dem kleinen kanadischen Städtchen am Gatineau-River,
in dem Mary Ann Alice lebt, die Welt noch in Ordnung. Durch das uralte feste Gestein
fließt beständig das bewegte Wasser des Flusses wie auch die dörflichen Strukturen
stabil sind und eine enge Nachbarschaft gepflegt wird. Mary Ann Alice, an der
Schwelle zum Erwachsenwerden, spürt wie sie sich körperlich und innerlich verändert
und träumt davon Mickey McGuire zu küssen. Doch plötzlich bricht von außen etwas
in diese wohlgefügte Welt hinein, das Entwicklung und Zukunft verspricht: ein
großer Staudamm soll den Paugan-Wasserfall bändigen, um Strom zu gewinnen. Mary
Ann Alice ist sensibel genug, um zu spüren, dass die schönen Reden der Anwälte
und Politiker nur die eine Seite der Medaille sind. Was bedeutet der Staudamm
für ihr Tal, für die unterirdischen Höhlen und für die Menschen, deren Land einfach
überflutet werden wird? Mit ihrer poetischen Begabung erzählt sie, einem Wasserfall
ähnlich, die Geschichten der Dorfbewohner und schmückt sie mit vielen Anekdoten
aus. Am Ende steigt das Wasser an, gibt der Landschaft einen völlig anderen Charakter
und aus dem strömenden Fluss wird ein ruhiger großer See. Zeit für den ersten
Kuss!
Der Autor hat sich bei den äußeren Gegebenheiten um historische Korrektheit bemüht
und es scheint auch eine noch lebende Mary Ann Alice zu geben, mit der Brian Doyle
Kontakt hatte. Doch für die jungen Leserinnen, für die er dieses Buch geschrieben
hat, wird vor allem zählen, dass es ihm gelingt, die seelische Entwicklung eines
jungen Mädchens nacherlebbar zu machen und wie er ihre Eindrücke und Empfindungen
in Worte fasst. Das Ursprüngliche der kanadischen Natur, die Stimmung auf der
gewaltigen Baustelle, wo Mary Ann Alice in der Küche riesige Mengen Essen auftischt,
und die Besonderheiten der einzelnen Menschen nehmen den Leser von der ersten
bis zur letzten Seite mit in eine andere Zeit. Es ist kaum zu glauben, dass diese
Geschichte vor kaum achtzig Jahren spielt.