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Gudrun Pausewang:
Ich war dabei.

Sauerländer, 2004.
ISBN: 3-7941-8022-4
144 Seiten, EUR 12,90 (ab 12 J.)

Gudrun Pausewang, Jahrgang 1928, erlebte das Dritte Reich als Teenager. Was bekamen Jugendliche damals mit von der Judenverfolgung, der Reichskristallnacht und der Macht des Bösen? Waren sie Opfer der Indoktrination oder konnten sie die Falschheit des Spiels durchschauen, bei dem nicht zuletzt die eigenen Eltern mitmachten? Gudrun Pausewang erzählt erschütternde Szenen, die sie selbst oder andere damals erlebt haben und die zeigen wieviel Gespür für das Unrecht in manchen Kinderseelen damals vorhanden war. Das beginnt bei dem Unverständnis, dass auf einmal bestimmte Kinder in der Klasse hinten sitzen müssen, dass sie nicht mehr mit der besten Freundin spielen dürfen und der Trauer, als diese schließlich ganz verschwindet. Scharf und betroffen wird beobachtet wie der geliebte Musiklehrer gebrochen in den Unterricht zurückkehrt nachdem er als Kommunist von der Gestapo abgeholt worden war. Die Verteilung des Mutterkreuzes gerät zum Desaster und offenbart die ganze Absurdität dieser Aktion. Sehr beklemmend ist die Situation, in die Harald von seinem Onkel gedrängt wird, der ihn zwingt einen russischen Strafgefangenen zu erschießen als ob er Freiwild wäre. Die Frage nach dem Zwang zu gehorchen und der Schuld der Befehlsgeber stellt sich hier hautnah. Themen wie Kriegsbegeisterung und Heldentod kommen ebenso zur Sprache wie die Rassenlehre und der Persilschein, der nach dem Krieg in nunmehr umgekehrten Verhältnissen die weiße Weste dokumentieren sollte. Beispiele von Widerstand, der sich ganz im Kleinen abspielte und doch soviel Mut erforderte, zeigen wo die wahren Vorbilder zu suchen sind.
Das Aufdecken der Unwahrheit hinter der Fassade ist ein Anliegen Gudrun Pausewangs. Oft läßt sie ein Kind aus der Enkelgeneration in einer kleinen Rahmenhandlung die Fragen stellen, läßt es am Verdrängten so lange kratzen, bis sichtbar wird, was damals wirklich geschehen ist. Auch das glücklichste Dorf und die liebste Oma offenbaren bei genauem Hinsehen und hartnäckigem Bohren ihre finstere Vergangenheit und können sich nicht mehr herausreden. Damit ermutigt die Autorin ihre Leser auch dazu, selbst nachzufragen und im eigenen Umfeld Nachforschungen anzustellen. Denn bald gibt es keine Zeitzeugen mehr...
Ein sehr wichtiges, ehrliches Buch, das sich auch hervorragend für Unterrichtszwecke und als Grundlage für Projekte eignet. Für alle!


© by Ulrike Schmoller
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